Das deutsche Schicksal ging natürlich auch sonst nicht spurlos an der „Großen“ vorbei. Besonders die Lage im geteilten Berlin ließ sie nicht kalt. Unvergessen ist die Einladung im Jahr 1961 an elf Berliner Jungen von elf Berliner Schulen für elf Tage in elf Bergisch Gladbacher Familien den Karneval mitzuerleben. So kam es zu einem „Großer Bahnhof“ mit rotem Teppich auf dem Wahner Flughafen – wie ihn üblicherweise nur Staatsgäste erlebten. NRW-Minister Konrad Grundmann begrüßte die jungen Gäste und ein großer Orchester spielte zur Parade auf dem Rollfeld auf. Höhepunkt für die Steppkes war natürlich der Karnevalszug, in dem sie hoch auf einem auf einem „Rosinenbomber“ Strüßcher und Kamelle unters Volk warfen. Die Medien berichteten ausführlich über das Ereignis.

Trauriger war es ein Jahr später. Als 1962 die Flutkatastrophe über Hamburg kam und viele Opfer forderte, verzichtete man auf einen richtigen Zug und startete dafür lediglich eine „Kappenfahrt“, damit Prinz Willi Fischer mit Jungfrau Gerda Fischer und Bauer Max Fröhlingsdorf wenigstens einen kleinen Ersatz erleben konnten. Das für den großen Zug eingesparte Geld aber kam den bedrängten Menschen an der Nordseeküste zugute.

Bis auf den heutigen Tag sorgt die Große Gladbacher für die alljährliche Kür des Dreigestirns. Die Suche nach geeigneten Kandidaten war nicht immer leicht. Da musste oft der Zufall zur Hilfe kommen. So war es auch 1966. Der Termin der „Proklamation“ stand unmittelbar bevor.

Und noch immer war kein Prinz in Sicht. Fast resigniert kehrten tief in der Nacht die „Prinzensucher“ Hans Greis, Hans Klever, Martin Sprenger und der Präsident Franz Heinrich Krey von einer vergeblichen Mission zurück. Man hatte einige Gläschen Kölsch getrunken. So schlug dem Präses am Steuer das Herz bis zum Halse, als er sich plötzlich einer Polizeikontrolle vor der Gnadenkirche gegenübersah. Da kam ihm der rettende Gedanke. Ehe der uniformierte Vertreter der Staatsgewalt nach den Fahrzeugpapieren fragen konnte, sagte Franz Heinrich zu ihm: „Gottseidank, dich haben wir schon die ganze Nacht gesucht. Endlich haben wir dich erwischt. Du sollst nämlich unser neuer Prinz Karneval werden!“

Um es kurz zu machen: der verdutzte Polizist war Willi Nollen, der mit höchster Genehmigung des damaligen Ministerpräsidenten Franz Meyers wenige Tage später den närrischen Thron bestieg und zusammen mit Bauer Helge Küsgen und seiner Jungfrau Ute Fuchs für eine unvergessene und glanzvolle „Regierungszeit“ sorgte.

1968 half die unvergessene Ännchen Rienahs dem Kür-Ausschuss aus der Petrouille. Ännchen, die herzensgute Wirtin der Gaststätte „Am Baach“, hatte die bedröppelten Mienen der ratlosen Prinzenkürer studiert, die nach erfolglosem Bemühen schließlich den Heimweg angetreten hatten. Lange nach Mitternacht riss das Schrillen des Telefons den ermattet eingeschlafenen Präsidenten aus dem Bett: „Kumm es janz flöck, mir hann ´ne Prinz“, hörte er am anderen Ende des Drahtes die „Baach-Wirtin“. Wenige Minuten später war alles klar: Jupp Rienahs, der Wirt vun der Baach, war der neue närrische Herrscher, der mit Lore Odenthal als Jungfrau und Heinz Nadebusch als Bauer eine Super-Session garantierte. In der Folgezeit hatten die Prinzenkürer weniger Sorgen. Meist bereits rechtzeitig zum Elften im Elften stand das neue Dreigestirn fest. Jahr für Jahr ein Volltreffer.

1975 wurden die Städte Bergisch Gladbach und Bensberg zu einer neuen Stadt durch den Landtag von Nordrhein-Westfalen „zwangsverheiratet“. Die Gladbacher stellten die Session unter das Motto: „Et hätt och schlimmer kumme künne …“, schließlich hatte man nicht nur den alten Namen gerettet, sondern war auch der immer wieder an die Wand gemalten Eingemeindung nach Köln entgangen. Für den Karneval galt es jedoch, den Realitäten tapfer ins Auge zu sehen. Schließlich bedeutet es viel, in einer Stadt zwei Rathäuser zu haben und zwei Karnevalszüge zur gleichen Zeit am Karnevalssonntag. An Versuchen, eine für alle Seiten tragbare Lösung zu finden, fehlte es fortan nicht.

1977 zogen zum 50-jährigen Jubiläum der Gesellschaft unter dem Motto „Wenn auch die Jahre enteilen“ der erst 24 Jahre junge Prinz Wolfgang Bosbach – der von 1990 bis 2012 die GROSSEN als Präsident führte – zusammen mit Peter Kürten als Bauer und Eva Mettmann als Jungfrau durch die Straßen unserer Heimatstadt.

Aber erst im Jahre 2001 kam mit einem ersten kompletten Dreigestirn aus der alten Schlossstadt Bensberg der richtige Durchbruch: Die Bensberger starteten ihren Umzug samstags und in Gladbach konnte der erste gemeinsame städtische Sonntagszugs mit großer Beteiligung aus allen Stadtteilen endlich die alten Wunden heilen.

Dafür war vor allem Prinz Wolfgang aus Bensberg zu danken, der das volle Gewicht seines hohen Amtes in die Waagschale geworfen hatte.

Mit den Prinzen, Bauern und Jungfrauen hatte die „Große“ überhaupt viel Glück. Eigentlich müsste man über sie alle genauestens berichten, was sich in ihren jeweiligen Regierungszeiten so alles getan hat. Nicht immer war es die „Große“ selbst, die das Dreigestirn stellte. Im Gegenteil, die mit ihr in Freundschaft verbundenen Karnevalsgesellschaften der Stadt nutzen immer wieder närrische Jubiläen, um ihr Jubeltrifolium zu präsentieren, wobei freilich der Tradition entsprechend die „Große“ für die festliche Proklamation sorgt. So auch, wenn wie in dieser Session die KG „Schlader Botze“ nach 1978 mit ihrem Präsidenten Harry Schülgen als Prinz, Willi Klein als Bauer und der Jungfrau Beate Walterscheid und sogar 1991 und 1992 (wegen des Golfkrieges) gleich zweimal mit Prinz Horst Neuhäuser, dem Bauern Hans Walterscheidt und der Jungfrau Marlies Klein das Dreigestirn stellt, wodurch ihr Vorsitzender sogar das bisher einmalige Vergnügen hatte, in Gläbbich „Zweimol Prinz ze sinn …“

1983 zog mit Bert Granderath als Prinz das Gladbacher Dreigestirn sogar zum närrischen Empfang bei Helmut Kohl in das Bundeskanzleramt in Bonn, wohin Präsident Franz Heinrich Krey als MdB alljährlich die heimischen Tollitäten einlud, wie sein Nachfolger Wolfgang Bosbach es ihm dann gleich tat, bis das „Hohe Haus“ samt Regierung nach Berlin umzog. Dennoch brauchten die Dreigestirne auch weiterhin nicht auf ihr Gipfeltreffen zu verzichten.

Seit dem Berlinumzug sorgt Landrat für ein buntes Treiben im Kreishaus, was die Teilnehmer längst als gelungenen „Ersatz“ in ihr Herz geschlossen haben.

1990, als FHK 60 wurde, kam die politische Prominenz sogar in hellen Scharen an die Strunde, sodass Prinz Fritz Roth Ministern und Staatssekretären die Bedeutung der Brauchtumspflege für Staat und Gesellschaft in beeindruckender Weise vor Augen führen konnte.